Freundschaft mit dem Ex – funktioniert das wirklich?
Eine Freundschaft mit dem Ex? Sowas gibt es im wahren Leben nicht. Das sagte eine Freundin vor vielen Jahren zu mir. Heute weiß ich aus dem Bekanntenkreis, dass so eine Partnerschaft durchaus zu einer Freundschaft werden kann. Doch so ganz unrecht hatte meine Freundin dann doch nicht: Etwa die Hälfte der Paare, die einmal ihr Leben miteinander teilten, haben nach der Trennung keinen Kontakt mehr. Sind Kinder da, beschränkt sich die Kommunikation bei diesen Paaren auf den Umgang. Und auch der ist nicht immer konfliktfrei. In diesem Artikel geht es um die Freundschaft zwischen zwei Menschen, die einmal ihr Leben miteinander geteilt haben. Wie kann das funktionieren? Welche Rolle spielen Kinder und die künftigen Partner? Und sollten Paare das überhaupt anstreben oder sind voneinander getrennte Leben der bessere Weg?

Die Trennung als Neuanfang – für das Ex-Paar
Trennungen sind fast immer mit Tränen, Leid und einem Kampf verbunden: Viele Paare ringen erst um ihre Beziehung. Kommt es zur Trennung, beginnt ein Kampf gegeneinander. Später, im Rückblick, ist die Trennung ein Neuanfang: Jeder für sich richtet sich ein neues Leben ein. Allein oder mit einem anderen Partner.
Einige bleiben in Kontakt: Bei vielen Paaren sind es die Kinder, die eine Verbindung schaffen. Manchmal dauert sie an, wenn der Nachwuchs längst erwachsen ist. In einigen Fallen schafft die Trennung für das Ex-Paar einen Neuanfang der besonderen Art: Sie entwickeln eine tiefe Freundschaft miteinander, die nicht mehr zerbricht. Sie ist geprägt von dem Vertrauen, das in der gemeinsamen Zeit aufgebaut wurde. Aber auch von gemeinsamen Interessen, gegenseitiger Wertschätzung und dem Band, das die Familie mit Kindern und Schwiegereltern umeinander schlingt.
Voraussetzungen für eine Freundschaft nach der Liebe
Manchmal schließt sich die Freundschaft direkt an das Ende der Beziehung an. Das Paar geht im Grunde gar keine getrennten Wege. Die Liebe ist oft schon längere Zeit erloschen. Während der letzten Monate oder Jahre hat das Paar unbewusst eine Freundschaft gelebt. Sie bleibt über die Trennung hinaus bestehen. Beide erkennen gemeinschaftlich, dass sie einen Neuanfang in der Beziehung wünschen und dass dieser gemeinsam nicht zu bewältigen ist.
Möchte nur einer die Trennung, gibt es meistens Verletzungen. Für eine spätere Freundschaft ist es wichtig, dass die Narben heilen. Paare, die später Freunde werden, haben ihre Trennung verarbeitet. Sie haben sich die Zeit verziehen, in der sie sich die Verletzungen zufügten. Nach dem Ende der Liebe bleibt eine Verbindung bestehen. Beide möchten weiter am Leben des anderen teilhaben. Toleranz, Verständnis füreinander und der gemeinsame Wunsch nach Harmonie sind Voraussetzungen dafür, dass sich die Liebe in eine Freundschaft wandeln kann. Oft verstärken Kinder das gemeinsame Band.
Ein weiterer wichtiger Punkt darf nicht unerwähnt bleiben: Die Liebe, die das Paar miteinander verbunden hat, sollte wirklich erloschen sein. Sprühen noch kleinste Funken, können die Gefühle wieder aufflammen. Gibt es schon neue Partner, wäre das Chaos perfekt. Das einstige Paar sollte mit dem gemeinsamen Leben abgeschlossen haben, bevor es eine Freundschaft zulassen.
Freundschaft nach der Liebe – wie häufig ist sie?
Sind es viele Paare, die es schaffen, sich nach einer Beziehung eine Freundschaft aufzubauen? Ich suche gern nach Studien, doch zu diesem Thema ist die Ausbeute sehr dünn. In der Soziologie und in der Psychologie gibt es kaum Forschungen zu der Frage, wie viele Paare nach der gemeinsamen Zeit eine echte Freundschaft zueinander aufbauen. Somit kann ich leider keine klaren Zahlen liefern. Was es gibt, sind eigene Erfahrungen oder die Erzählungen von Paaren, die nach der Beziehung eine bleibende Verbindung zueinander erhalten haben. Es sind Einzelfälle, die die Forschungslücke wenigstens ansatzweise füllen.
Kontakt ist nicht Freundschaft
Unterscheiden müssen wir zwischen den Ex-Paaren, die miteinander in Kontakt bleiben, und denen, die eine Freundschaft entwickeln. Ein Kontakthalten ist nicht automatisch eine Freundschaft. Einige persönliche Faktoren fördern die Entwicklung einer Freundschaft nach der Beziehung. Dazu gehören:
- Gemeinsame Kinder
- Ein respektvoller Trennungsprozess
- Bereits bestehende freundschaftliche Strukturen vor der Ehe
Wissenschaftliche Belege sind leider rar. Doch es gibt Zahlen aus unabhängigen Erhebungen. Dabei handelt es sich allerdings um sogenannte Kontaktquoten: Sie sagen uns nicht, ob es sich um eine Freundschaft oder um einen eher oberflächlichen Kontakt handelt, der sich auf die Kinderbetreuung, einen gemeinsamen beruflichen Weg oder Begegnungen im gemeinsamen Freundeskreis beschränkt.
- Monatlicher Kontakt: 55 % der geschiedenen Paare
- Wöchentlicher Kontakt: 32 % der geschiedenen Paare
- 1/3 der Deutschen ist mit dem Ex befreundet (Allgemeine Befragung aus dem Jahr 2013)
Mich haben diese Zahlen etwas überrascht: In meinem Bekanntenkreis kenne ich eher den Fall, dass Ex-Partner nichts mehr miteinander zu tun haben. Sie reden schlecht übereinander und sind nicht in der Lage, sich bei Familienfesten, etwa eine Hochzeit oder die Taufe eines Enkelkindes, in einem Raum aufzuhalten.
In einer Familie hat das erste Enkelkind versöhnt: Das Ex-Paar kam zum Geburtstag und wohnte auch anderen Feierlichkeiten bei. Ein Kontakt außerhalb dieser Anlässe bestand aber nicht.
Gemeinsam einen Kaffee trinken
Es gibt einen Coversong des Klassikers „Stumblin‘ in“ von Chris Norman und Suzie Quattro, den nicht alle mögen: Er wird von Helene Fischer und Florian Silbereisen gesungen.
Die Tasse Kaffee und auch das Glas Wein
Trink ich noch immer gerne mit dir, schau mal herein„Schau mal herein“ von Bernd Clüver. Gesungen von Helene Fischer und Florian Silbereisen
Es war eine Liebesgeschichte, die mit dem großen Knall endete: Helene hatte sich neu verliebt. Mit diesem Mann, ihrem ehemaligen Tänzer, ist sie heute verheiratet und hat zwei Töchter. Ich erinnere mich an einen Auftritt in einer Show von Florian Silbereisen, in der sie ihn überraschte. Er weinte, die Tränen waren echt. Nach meiner Interpretation zeugten sie von einer großen Verletztheit. Ich nehme den beiden nicht ab, dass sie miteinander einen Kaffee oder einen Wein trinken. Dazu bedarf es einer anderen Form der Trennung. Der Song ist ein Marketinginstrument, der auf einen Klassiker der Musikgeschichte geschrieben wurde. Allein das ist der Grund, warum ich das Lied zu Hause nicht spielen darf: Niemand will es hören.

Doch andere Paare schaffen das. Meine Protagonisten gehören dazu. Aus der Liebe entwickelt sich eine Freundschaft. Dass das im wahren Leben auch passieren kann, zeigt die Geschichte von zwei Männern, deren Musik ich seit Jahrzehnten liebe.
20 Jahre Beziehung enden in einer echten Freundschaft
Ich bin ein großer Fan von Rosenstolz und bin von der Lebensgeschichte der beiden Produzenten beeindruckt: Peter Plate und Ulf Leo Sommer lernten sich als Twens kennen. Sie verliebten sich und waren 20 Jahre ein Paar, bis sie gemeinsam entschieden haben, sich zu trennen.
Ulf: Der Moment, in dem du aussprichst: Es geht so nicht weiter, wir müssen was an unserer Beziehung ändern, der tat extrem weh. Und es hat Zeit gebraucht.
Peter: Ein Jahr mindestens. Und sehr, sehr viele Tränen.
Ausschnitt eines Interviews mit der Zeitschrift „Brigitte“ (2022)
Peter und Ulf sprechen davon, dass sie wie Brüder miteinander gelebt haben. Die erotische Komponente fehlte. Die tiefe Verbindung zueinander blieb: Nach eigenen Angaben leben sie Tür an Tür. Peter ist neu verheiratet, Ulf ist Single. Gemeinsam sind sie erfolgreiche Intendanten am „Theater des Westens“ in Berlin-Charlottenburg, dem Stadtteil, in dem sie auch leben. Sie inszenierten Musicals mit ihrer eigenen Musik. Neben der Freundschaft ist es die Arbeit, die sie seit Jahrzehnten miteinander verbindet. Peter war gemeinsam mit AnNa R. das Gesicht von Rosenstolz. Ulf blieb als Produzent im Hintergrund und zeigte sich ab und zu in einigen Videos des Duos oder in Interviews.
Beide zeigen Menschen wie meiner Freundin ganz offen: Es funktioniert, mit der Freundschaft nach der Beziehung. Es ist nicht ungewöhnlich und schon gar nicht unmöglich. Es ist ein Lebensweg, der schön und befreiend sein kann. Denn wer möchte schon behaupten, dass das Leben mit Hass im Herzen schöner ist?
Den Hass im Herzen besiegen
Ich eröffnete diesen Artikel mit den Worten meiner Freundin, dass es eine Freundschaft zwischen zwei Ex-Partnern nur im Roman geben würde. Damals antwortete ich ihr, dass ich mir vorstellen könnte, dass einstige Paare wirklich in Freundschaft auseinander gehen. Sie hielt es für ausgeschlossen.
Mehr als 30 Jahre gingen meine Freundin, ich nenne sie Petra, und ich auf einem Weg, der für uns viele Gemeinsamkeiten hatte. Doch im letzten Drittel dieser Zeit zeichnete sich ab, was heute Realität ist: Unsere lange Freundschaft hat sich im Sand des Lebens verlaufen. Da war so viel Hass im Herzen, dass die Negativität viele Gespräche überschattete.
Petra hatte sich von ihrem ersten Mann getrennt. Beide gingen in erbitterter Feindschaft auseinander. Anfangs kämpften sie um die Kinder. Später war es nicht möglich, dass beide zu den Jugendweihen der gemeinsamen Kinder erschienen. Sie konnten sich nicht mehr in ein und demselben Raum aufhalten.
Oft projizierte sie ihre negativen Gedanken auf die Familien ihrer Freunde. Am Ende verschloss sie sich und setzte auf neue Bindungen, in denen ihre Vergangenheit keine Rolle spielte: Sie trat Vereinen bei und ließ sich in den Gemeinderat wählen. Dort fragte niemand, warum ihre Kinder und Enkel nie zu Besuch kamen. Ich habe bis heute Kontakt zu ihnen: Sie hatten den Hass ihrer Mutter nicht mehr ertragen und sich dem Vater zugewandt.
Wir haben eine gemeinsame Bekannte, die einmal erwähnte, dass Petra nie Zeit hätte. Genauso habe ich es auch empfunden. Aber vielleicht ist es der beste Weg, das alte Leben hinter sich zu lassen und etwas Neues zu beginnen. Meine Bekannte und ich leben in einer Langzeitbeziehung. Sowas ist auch nicht harmonisch, sagte Petra oft, wenn mein Mann und ich einmal stritten. Doch gibt es Langzeitbeziehungen ohne Streit?
Kontakt kann eine Trennung heilen
Ich behaupte, ein guter Kontakt, ob er nun höflich ist oder ob beide eine Freundschaft leben, kann eine Trennung eher heilen als ein lebenslanger Hass auf den Partner, der sich auf die Familie und auf das Umfeld auswirkt. Bei Petra war der Hass umso unverständlicher, weil sie es war, die sich von ihrem Mann getrennt hat. Er wollte die Trennung nicht und brauchte viele Jahre, bis er sich mit dem Ende seiner Ehe abgefunden hatte.
Versöhnlich zu sein, ist eine Eigenschaft, die von einem selbst einiges abverlangt. Doch am Beispiel von Petra haben meine Bekannte und ich erlebt, dass Verbitterung über Jahre oder Jahrzehnte Spuren hinterlässt. Wenn ein Ex-Paar aufeinander zugeht und miteinander Frieden schließt, ist ein enormer Stressfaktor aufgelöst. Davon profitieren die Kinder und Enkel, die Freunde und Angehörigen, und nicht zuletzt das Paar selbst. Und wer weiß: Vielleicht entwickelt sich eines Tages über die gemeinsame Familie eine Verbindung, die einer Freundschaft sehr nahe kommt.
Petra wünsche ich, dass ihr Herz mit der Weisheit des Alters weicher wird. Vielleicht können ihre Enkel eines Tages Oma und Opa gemeinsam einen Nachmittag verbringen. Es wäre ihnen zu wünschen.
Freundschaft mit dem Ex? – Mein Fazit
Ja, sie ist möglich, die Freundschaft mit dem Ex, und es gibt sie nicht nur im Roman, sondern auch im wahren Leben. Obwohl es keine verlässlichen Zahlen gibt und bei denen, die vorliegen, nicht zwischen einem gelegentlichen Kontakt und einer echten Freundschaft unterschieden wird, zeigen Umfragen, dass die Hälfte der Ex-Partner ein gütliches Miteinander pflegt. Was gleichermaßen bedeutet, dass die andere Hälfte mit der Vergangenheit im Reinen ist oder dass sie sich bekämpft.
Es gibt Menschen, die ihre Vergangenheit nicht in ein neues Leben mitnehmen möchten. Doch wer abgeschlossen hat, empfindet keinen Hass. Er empfindet gar nichts und ist in der Lage, bei einer zufälligen oder bewussten Begegnung ein höfliches Miteinander zu zeigen.
Bleibt nach der Liebe eine Freundschaft, ist das ein hohes Gut. Die gemeinsame Zeit wird zu einem Lebensanker. Mit gutem Willen, einer Portion Toleranz, mit der Aufarbeitung der Trennung und dem Wunsch nach Harmonie kann es gelingen, den Hass zu besiegen. Was daraus wächst, sollten wir geschehen lassen. Der Frieden, den wir im Herzen verspüren, wird es uns danken.
Die Welt von Anna und Mike – neunteilige Serie zur Romanreihe
Das vierte Buch meiner Romanreihe Anna und Mike heißt „Flickenteppich“. Die Protagonisten leben ein Patchwork: Ein getrenntes Paar, jeder hat zwei neue Partner und es gibt Kinder. Auch hier gilt wieder, dass ich nicht zu viel verraten möchte. Aber das Ex-Paar entwickelt gemeinsam mit den neuen Partnern eine Freundschaft, die bereichert und von einem großen Vertrauen geprägt ist. Nicht nur aus den genannten Zahlen und aus Geschichten wie der von Peter und Ulf weiß ich, dass es möglich ist: Heute kenne ich ein Paar, bei dem eine echte Freundschaft funktioniert.
Ich habe ein befreundetes Ex-Paar kennengelernt
Beide heirateten früh und bekamen ein gemeinsames Kind. Mehr als 20 Jahre nach der Trennung ist die Freundschaft so eng, dass sie gemeinsame Nachmittage verbringen oder Silvester miteinander feiern. Sie besuchen sich zu den Geburtstagen und pflegen im Alltag regelmäßigen Kontakt zueinander. Das gemeinsame Kind ist lange erwachsen, die Freundschaft blieb über die Betreuung hinaus bestehen. Beide sind neu verheiratet. Die Frauen unternehmen auch allein etwas miteinander, bei den Männern beschränken sich die Treffen auf das familiäre Umfeld.
Für mich war das Kennenlernen der Familie eine Bestätigung, dass mein Roman keine reine Fiktion ist. Es ist keine wahre Geschichte, aber ich habe mir gewünscht, dass der Leser eine Nähe zu der Handlung entwickelt, in dem er sagt: Ja, das hätte mir oder uns auch passieren können. Heute weiß ich, dass mir das bei diesem Handlungsstrang gelungen ist.
Lies auch gern die anderen Artikel rund um die Themen meines Romans.
- Armeedienst in der DDR: Einschnitt in das Leben der jungen Männer (Buch 1: Jugendliebe)
- Schwiegermütter und Schwiegertöchter – zwischen Konflikt und Nähe (Buch 2: Wendezeit)
- Untreue und Lügen – wenn Vertrauen zerbricht (Buch 3: Erinnerung)
- Freundschaft mit dem Ex – Funktioniert das wirklich? (Buch 4: Flickenteppich)

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