Der kleine Neff

Der kleine Neff

Eine Kurzgeschichte von Jette G. Schroeder

Die Aussage eines Mitarbeiters der fleischverarbeitenden Industrie über seine Arbeitsbedingungen hat mich so beschäftigt, dass ich eine Kurzgeschichte geschrieben habe. Was motiviert leitende Angestellte, ihren Mitarbeitern keinen Urlaub zu gewähren oder bei Krankheit mit einer Kündigung zu drohen? Kann es sein, dass der oder diejenige Probleme aus dem eigenen Leben kompensieren möchte? 

Schon gewusst?

Meine Romanreihe Anna und Mike ist auch aus einer Kurzgeschichte entstanden. Vielleicht wird aus „dem kleinen Neff“ eines Tages mehr? Erst einmal ist es, wie so oft, nur eine Idee.

Wenn frustrierte Menschen Führungsverantwortung bekommen

Irgendwann hörte ich einmal eine interessante These: Menschen, die sich zu Hause unterdrückt oder benachteiligt fühlen, können gefährlich sein, wenn sie im Beruf eine Führungsverantwortung übernehmen oder auf sonstigen Positionen etwas zu sagen haben. Es wird nicht der einzige Grund für Ungerechtigkeiten im Arbeitsleben sein. Auf jeden Fall ist es ein Thema, das viel Potenzial für Diskussionen -und vielleicht den nächsten Roman- bietet!



Die Inspiration für diese Kurzgeschichte hatte ich durch eine Nachricht, der sich zu Beginn des Jahres 2021 in den sozialen Netzwerken verbreitete. Der Deutschlandfunk berichtete von einem Mitarbeiter, der als Schlachter in der Fleischfabrik Tönnies arbeitete und sich über die Bedingungen beschwerte. In meinem Blog schrieb ich einen Artikel darüber, den ich hier noch einmal veröffentliche.


Arbeit ja, Krankheit nein, Urlaub verboten (am 21. Januar 2021 erstmals veröffentlicht)

Der oben abgebildete Post verbreitete sich kürzlich in den sozialen Netzwerken. Ein Mitarbeiter einer Fleischfabrik, die in den letzten Monaten aufgrund von gehäuften Coronaausbrüchen in die Schlagzeilen geriet, äußert sich zu seinen Arbeitsbedingungen. Anonym, denn eine Androhung der Kündigung bei Krankheit schüchtert ein. Wenn ich so etwas lese, geistern Fragen in meinem Kopf herum: Warum gibt es im 21. Jahrhundert Arbeitgeber, die im Zeitalter der Industrialisierung steckengeblieben sind? Warum gibt es Arbeitnehmer, die in solchen Betrieben arbeiten? Und warum tut niemand etwas dagegen?

Freiberufler haben kleine Vorteile

Als Freiberuflerin kenne ich solche Probleme glücklicherweise nicht. Was nicht heißt, dass meine Berufsgruppe im Schlaraffenland lebt. Viele bekommen während des Urlaubs und der Krankheit gar kein Geld. Auftragsmangel oder 16-Stunden-Tage sind keine Fremdwörter. Doch das sind kleinere Übel, zumindest dann, wenn man es mit den im Post dargestellten Arbeitsbedingungen vergleicht. 

Urlaub als Rechtsanspruch im Gesetz

Ich habe nie in einem Angestelltenverhältnis gearbeitet und kann keine eigenen Erfahrungen beitragen. Aber wenn ich für meine Texte recherchiere, bekomme ich hin und wieder Einblick in die gesetzlichen Vorschriften. Daher weiß ich, dass Urlaub als Rechtsanspruch im Gesetz verankert ist. Und in besagtem Gesetz steht ausdrücklich, dass der Arbeitnehmer individuell bestimmt, wann er seinen Urlaub nimmt. Es gibt diese dringenden betrieblichen Gründe, die dagegen sprechen könnten. Doch es gibt auch die Vorgabe an den Arbeitgeber, Anstrengungen mittleren Aufwands zu unternehmen, um den Mitarbeitern den gewünschten Urlaubszeitraum zu ermöglichen. Es erschließt sich mir nicht, dass es Arbeitgeber gibt, für den die Arbeitskraft der Mitarbeiter selbstverständlich ist, nicht aber die -gesetzlich vorgeschriebene- Gewährung des Urlaubs.

Krank ist krank

Wer krank ist, kann nicht arbeiten gehen. Wie kommt ein Arbeitgeber darauf, Mitarbeitern mit der Kündigung zu drohen? Wir sind doch Menschen, keine Maschinen. Menschen können krank werden. Nicht selten tragen die Arbeitsbedingungen sogar dazu bei. Schon vor Corona gab es in Deutschland so viele Krankschreibungen aufgrund psychischer Diagnosen wie nie zuvor. Mobbing ist ein aktuelles Dauerthema. Was herrscht in diesen Unternehmen für ein Arbeitsklima? Ich glaube, ich möchte es nicht wirklich wissen.

Was du nicht willst, das ich dir tu …

Eine weitere Frage, die sich mir aufdrängt, ist die: Wie würde sich der Vorarbeiter, der Abteilungs-, Schicht-, Teamleiter, oder wie sich diese Angestellten nennen, selbst fühlen, wenn er unter derart widrigen Bedingungen arbeiten müsste? Vielleicht würde seine Gesundheit auch eines Tages streiken?

Toxische Arbeitswelt

Fragen über Fragen. Gesellschaftspolitische Themen wie diese beschäftigten mich. Sie machen mich wütend, ich möchte sie hinterfragen, darüber diskutieren. Wir Autoren schreiben Geschichten, wenn uns etwas bewegt. Lange Romane oder Kurzgeschichten. Ich habe meine Gedanken über diese toxische Arbeitswelt niedergeschrieben. Was sind das für Vorarbeiter, Teamleiter, Schichtleiter und warum verhalten sie sich so? Du findest die Story als Kurzgeschichte in meiner Ideenwelt. 

Das Zeitalter der Industrialisierung endlich hinter sich lassen

Diese ungerechte Arbeitswelt gibt es leider in vielen Unternehmen. Doch es existiert auch eine neue Welt mit Strukturen, die den Mitarbeitern ein hohes Maß an Flexibilität und Kreativität einräumen. So sehr uns Corona alle belastet: Das Arbeiten ist durch die Pandemie moderner geworden. Leider bleiben Homeoffice und Gleitzeit in den meisten Industriebetrieben Fremdwörter. Stattdessen wird mit der Stechuhr gearbeitet. Aber vielleicht wachsen die Welten irgendwann zusammen. Ich wünsche es dem anonymen Mitarbeiter der Fleischerei und allen anderen, für die ein Jahresurlaub, freie Tage oder die Genesung von einer Erkrankung ohne Angst um den Arbeitsplatz nicht selbstverständlich sind. Das Zeitalter der Industrialisierung ist vorbei. Auch sehr, nun, ich sage mal sehr traditionelle Unternehmen sollten es endlich hinter sich lassen.