Über die Entstehung meiner Romanreihe
Anna und Mike, die Protagonisten meiner Romanreihe, begleiten mich seit mehr als 35 Jahren. Die Geschichte entstand schon früh in meinem Kopf. Kapitel für Kapitel gelangte über die Tastatur auf das Papier. Anfangs arbeitete ich mit einer Schreibmaschine. Mit einem Handscanner digitalisierte ich jedes einzelne Blatt. 1993 war die Urfassung fertig. „Das Glück aus der Vergangenheit“ hieß das einbändige Werk. Doch wie wurde aus der kleinen Liebesgeschichte eine Ennealogie?
Tanzstunde und ein Junge vom Dorf
Es gibt Ereignisse im Leben, die wir Jahrzehnte später noch in uns tragen. Bei mir ist es die Tanzschule. Wir waren vierzehn, hatten die Jugendweihe hinter uns und fuhren gemeinsam nach Potsdam. Mit uns stolperte eine elfte Klasse aus Nauen über das Parkett. Einmal in der Woche fand der Kurs statt. Er ging ein halbes Jahr.
Nach dem Unterricht liefen wir zum Bassinplatz. Dort fuhren in den 1980er-Jahren die Busse in alle Himmelsrichtungen. Bevor wir einstiegen, trafen wir uns am Bockwurststand und flachsten mir den Nauener Jungs herum.
Ich verkündete, dass ich eine Schwäche für braune Augen und volle Lippen hätte. Ein Junge, der mir gegenüber stand, berührte mit den Fingerspitzen seinen Mund und sagte: „Damit kann ich dienen.“ Er hieß Burkhard und kam aus einem Dorf im Bezirk Potsdam. Wir schrieben anderthalb Jahre lang Briefe und waren vier Monate zusammen. Er musste zur NVA und machte von jetzt auf gleich Schluss.
Ich entschuldige mich und es gibt keine Tantiemen
Ein paarmal sahen wir uns wieder. Auf meine Initiative hin. Ich glaube, er fand das ganz schön schräg. Zumindest benahm er sich so. Ich finde es heute noch schräger. Wenn unsere Geschichte, die gar nicht unsere Geschichte ist, eines Tages bekannt werden sollte und ich ein Interview bei einem großen Fernsehsender gebe, werde ich mich öffentlich bei ihm entschuldigen. Aber nur dann!
Was hat dieser Burkhard mit meinem Roman zu tun? Es ist ganz einfach: Die kleine Anekdote von der Tanzschule und dem Date am Bockwurststand wirst du im ersten Buch lesen. Anna und Mike. Jugendliebe.
Burkhard war nicht meine Jugendliebe. Eigentlich war er gar nichts. Er ist nicht Mike. Aber diese Begegnung mit ihm, die Briefe, die wir uns schrieben, und die kurze Zeit, die wir zusammen waren, hat mich zu einer Romanreihe inspiriert, die in ihrer finalen Version neun Bände hat.
Es gibt noch weitere kleine Parallelen zu meinem Leben, doch meine Ennealogie ist eine fiktive Geschichte und keine Autobiografie.
Burkhard bekam Kenntnis, von meiner Schreibleidenschaft: Die einbändige Erstfassung hatte ich ihm zu Beginn der 1990er-Jahre geschenkt. Er sprach von einem Freund, der Jura studieren und ihm im Falle einer Veröffentlichung zu Tantiemen verhelfen würde. Überhaupt strotzte er so vor Arroganz, dass ich froh war, in mein Auto zu springen und nach Hause fahren zu können. Wir haben uns nie wiedergesehen.
Die Geburt eines Romans
Mehr als vier Jahrzehnte sind seit der Tanzschule vergangen. Bis heute bin ich erstaunt darüber, dass eine kleine Brieffreundschaft mit einem Jungen, den ich ein paarmal getroffen und geküsst habe, eine so große Fantasie in mir ausgelöst hat.
Burkhard war nie Teil meines Lebens. Ich würde heute sogar infrage stellen, dass er überhaupt mein Freund war. Wir haben füreinander geschwärmt und sind dann unserer Wege gegangen. Vielleicht habe ich ein bisschen mehr für ihn geschwärmt, als er für mich. Das werde ich nie herausfinden.
Ich erzähle diese kleine wahre Begebenheit, weil sie der Kern meiner Romanreihe ist. Ohne die Begegnung am Bockwurststand würde es „Anna und Mike“ nicht geben. Mike hat braune Augen und volle Lippen, und er sagt den Satz, den ich einst von Burkhard hörte: „Damit kann ich dienen.“ Aber das war es auch schon.
Anna und Mike gehen einen anderen Weg. Das müssen sie, denn eine autobiografische Story über Burkhard und mich hätte kaum Stoff für eine Kurzgeschichte geliefert. Damit komme ich zum eigentlichen Thema: Wie ist die Geschichte entstanden? Es war tatsächlich eine Kurzgeschichte, die ich Ende der 1980er-Jahre auf meiner Schreibmaschine verfasste.
Das Glück aus der Vergangenheit
„Das Glück aus der Vergangenheit“ war über viele Jahre der Arbeitstitel meiner Romanreihe. Manchmal überlege ich, die Bücher doch unter dem Titel zu veröffentlichen. Doch er klingt ein wenig zu romantisch. Es ist eine Liebesgeschichte, ja. Aber kein Heimatfilm. Der Titel hört sich ein bisschen danach an.
Die Kurzgeschichte, die auf meiner Schreibmaschine entstanden war, scannte ich um 1993 ein: Wir waren stolze Besitzer unseres ersten Computers. Ich gliederte sie in Kapitel und wandelte sie in einen Roman um. Das Ergebnis landete für viele Jahre in der Schublade. Als studierende Mama fehlte mir die Zeit, mich intensiv damit zu beschäftigen.
2011: Das alte Manuskript lässt sich öffnen
Es war im Juli 2011. Ich hatte meinen zweiten Roman beendet. „In den Wellen deiner Leidenschaft“. Er steckt bis heute in meiner Schublade.
Abends, vor dem Schlafengehen, fehlte mir etwas. Ich hatte etwa zwei Jahre an dem Manuskript gearbeitet. Mein iPad begleitet mich überall hin – das ist bis heute so. Im Bett korrigiere und überarbeite ich. Bücher lese ich tagsüber, wenn ich Zeit dafür finde.
An die Nacht im Juli erinnere ich mich noch genau. „Das Glück aus der Vergangenheit“ stand in meiner Bibliothek. Es gibt nur ein einziges Exemplar. Das zweite hatte ich Burkhard geschenkt.
Die Dateien schlummerten auf einer externen Festplatte. Es war mitten in der Nacht, doch ich verband mein iPad mit der Festplatte und suchte die Dateien. Mit Erfolg! Ich konnte sie öffnen. Die Formatierung war eine Katastrophe. Ich hatte die Seitenzahlen manuell eingefügt. Sie waren verrutscht und standen mitten auf den Seite. Ich entfernte sie in dieser Nacht, sodass das Layout eine lesbare Form hatte.
Die Handlung wird erweitert
Ich hatte wieder eine Aufgabe, die meine Freizeit ausfüllte. Ich überarbeitete die Urfassung und und entwickelte sie weiter. Zunächst schrieb ich das Kennenlernen von Anna und Mike auf. Die Handlung passte nicht mehr in ein Buch: Wenn du einen Roman im Selfpublishing veröffentlichen möchtest, ist die Seitenzahl begrenzt. „Das Glück aus der Vergangenheit“ bekam einen zweiten Band. Doch die Geschichte war noch nicht zu Ende.
Ich führte die Handlung fort und merkte schnell: Auch zwei Bücher reichen nicht. Vier wurden es. Dann acht. Die Kapitel der Urfassung liest du nun im dritten und vierten Buch.
Elf Jahre nach der Renaissance meines alten Manuskripts, wir schrieben das Jahr 2022, war meine Romanreihe fertig. Oder doch noch nicht?
Wenn Sieben und Acht zur Neun werden
Es war irgendwo verhext, aber meine Geschichte fand in meinem Kopf einfach kein Ende. Ich setzte mich wieder ran und nahm die beiden letzten Bände auseinander. Kapitel aus der Sieben wanderten in die Acht, das Ende der Acht rutschte in die Neun. 121 Seiten hatte ich für diesen neuen Band bereits geschrieben, doch ich merkte: Hier funktioniert gar nichts. Ich strukturierte die Kapitel um, füllte die Lücken mit den Erlebnissen, die sich in meinen Gedanken geformt hatten, und schuf mit der Sieben, der Acht und der Neun drei Bände, mit denen ich heute sehr glücklich bin.
Abendrot
Wird die Ennealogie zur Dekalogie? Bekommt meine Romanreihe einen zehnten Band? Einen Namen gibt es schon und eine Idee für ein Cover auch. Es hat sich der Inhalt geformt, der vorher im neunten Buch nicht funktionierte. Im Moment lebt die Geschichte in meinem Kopf und ich habe keine konkreten Pläne für das Schreiben. Aber ausgeschlossen ist es nicht. Was ich weiß: Wenn ich den Abendrot-Roman eines Tages noch schreibe, ist es definitiv das letzte Buch aus der Anna und Mike Romanreihe.
Die Geschichte war fertig – doch es fehlte was
Im März 2023, knapp zwölf Jahre nachdem ich die Erstfassung im Regal suchte, waren die neun Bände fertig geschrieben. Doch zufrieden war ich immer noch nicht.
Ich war mit dem Fahrrad unterwegs, als mir der Gedanke kam, dass die Story einen weiteren Protagonisten braucht. Ich hatte sofort einen Namen, eine Rolle, einen Handlungsstrang. Nun erweitere ich die Handlung Buch für Buch. Es hatte etwas gefehlt, jetzt füllt sich die Lücke.
Kopfschreiber ohne Plott
Ich bin ein Kopfschreiber. Szenen, Handlungen, Personen wandern spontan in die Geschichte. Plotten kann ich nicht. Umso aufwendiger ist die Überarbeitung. Wenn das letzte Wort geschrieben, die letzte Klappe gefallen ist, werde ich mich wieder verloren fühlen. Es ist eine lange Zeit ins Land gezogen, die ich mit meinen Protagonisten verbracht habe. Doch es gibt ja das Manuskript, das 2011 fertig wurde. Es konnte mehr als ein Jahrzehnt reifen. Mit der kleinen Eva habe ich eine weitere Romanidee in der Schublade. Auch sie entstand aus einer Begegnung heraus. Aber dazu mehr, wenn ich Anna und Mike abgeschlossen habe.
Wo ist meine Romanreihe entstanden?
In den Wintermonaten ist Mitternacht oft vorbei, wenn ich mich dem kreativen Schreiben widme. Im Sommer arbeite ich gern in der Natur. Ein faltbarer Campingstuhl, ein Laptop oder das iPad und der Blick aufs Wasser. Unser kleines Boot ist mein zweites Homeoffice, in dem ich häufig meinem Butterjob nachgehe und für meine Auftraggeber schreibe. Große Teile meiner Ennealogie entstanden während unserer Sommerurlaube am Meer. Ich liebe es, zu schreiben und dabei aufs Wasser zu blicken.
Anna und Mike – Liebe, Verlust, Familie
Worum geht es denn nun genau, in meiner großen Romanreihe? Anna und Mike lernen sich als Teenager kennen und entwickeln früh im Leben eine ungewöhnlich tiefe Bindung zueinander. Die Romane begleiten meine Protagonisten über acht Jahrzehnte durch wandelbare Zeiten. Beide wachsen in der DDR auf, erleben die Wende mit ihren Veränderungen und die guten und schwierigen Seite des Lebens. Die letzten Romane blicken in die Zukunft. Im Mittelpunkt stehen Liebe, Verlust, Familie, große Gefühle und prickelnde Erotik. Und immer wieder ein Tag, der alles verändert.
Die Orte der Handlung
Jetzt kommen wir noch einmal zu den autobiografischen Elementen meiner Romanreihe: Die Handlung des ersten Buches spielt im Bezirk Potsdam, die DDR kannte keine Bundesländer. Anna und Mike leben auf dem Dorf, ihre Elternhäuser sind vierzig Kilometer voneinander entfernt. Annas beste Freundin entstammt einem Ort im Bezirk Schwerin, die Klassenfahrt führt nach Warnemünde. Das sind die Plätze der Handlung, im ersten Buch. Und das sind die Orte meiner Kindheit.
Ich bin im Bezirk Schwerin geboren, im Bezirk Potsdam aufgewachsen und habe in meiner Kindheit und Jugend die Urlaube an der Ostsee verbracht: In Warnemünde, Graal Müritz, auf Rügen oder in Boltenhagen. Der erste Band ist eine Reise an die Orte meiner Jugend. Eine Reise in mein Heimatland, das es so nicht mehr gibt.
Im zweiten Buch bricht die DDR zusammen. Die Wendezeit verändert nicht nur das Leben meiner Protagonisten, sondern auch die Orte, an denen die Handlung spielt. England und Kalifornien wachsen Anna ans Herz. Und ihre Heimat im Havelland.
Ein Tag, der alles verändert
Anna ist die Protagonistin meiner Romanreihe, aus deren Perspektive die Handlung erzählt wird. Zufälle lenken ihr Leben. In jedem Buch gibt es einen Tag, der alles verändert. Immer wieder muss sich Anna damit arrangieren. Sie folgt ihren Gefühlen. Ihrem Herzen. Ihrer großen Liebe.
Anna und Mike. Ein Tag, der alles verändert. Es wäre ein passender Untertitel für meine Romanreihe.
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